Danke schön, verehrter Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Die Forderungen der Linken, die Einrichtung in Lohne zu schließen und die darin befindlichen Jugendlichen in die Obhut anderer niedersächsischer Einrichtungen zu vermitteln, richten sich nicht an den richtigen Adressaten. Denn verantwortlich dafür, daß Jugendliche oder Kinder in dieser Einrichtung untergebracht sind, sind natürlich zunächst einmal die jeweils zuständigen örtlichen Träger der Jugendhilfe.
(Uwe Schwarz [SPD]: Nein, verantwortlich ist, wenn überhaupt, der Betreiber und nicht der örtliche Träger!)
Die kommen zum Teil gar nicht aus Niedersachsen. Insofern würden wir die Jugendlichen, die nicht aus Niedersachsen kommen - selbst wenn es in diese Richtung ginge -, mit Sicherheit nicht in anderen Einrichtungen der niedersächsischen Jugendhilfe wiederfinden.
Nebenbei ist nach meiner Auffassung der Landtag auch nicht für die Frage zuständig, ob sich in Lohne eine solche Einrichtung in einer Mauer befindet, wie wir sie gerade gesehen haben. Deshalb sollte der Landtag über Mauern sicherlich keine Beschlüsse fassen.
(Uwe Schwarz [SPD]: Der Landtag hat Geld dafür bewilligt! - Weitere Zurufe von der SPD und von der LIN-KEN)
Auch weitere Forderungen des Antrags, lieber Kollege Humke, richten sich eher an die zuständigen örtlichen Träger der Jugendhilfe, etwa die Forderungen zur Gestaltung der frühen Präventionsarbeit und zu den bestehenden sozialpädagogischen Programmen.
Meine Damen und Herren, wir haben im Ausschuß zwei umfassende Unterrichtungen durch die Landesregierung zu dem Heim in Lohne entgegengenommen, und freundlicherweise hat der Träger und Betreiber der dortigen Einrichtung, die Caritas, sehr kurzfristig eine Einladung des Ausschusses angenommen und uns die Einrichtung, die dortige Personalsituation, die Arbeitsweise und das Konzept, aber auch das Schicksal der dort betreuten Kinder detailliert beschrieben.
Wenn ich es richtig im Blick habe, hat der Antrag der Linken-Fraktion den Landtag nach dieser Unterrichtung erreicht. Ich muß leider feststellen, Herr Kollege Humke, daß der Antrag von der Kenntnis der Fakten nicht getrübt ist.
(Patrick-Marc Humke [LINKE] lacht)
Ein Unsicherheitsfaktor für die Landesfinanzen z. B. besteht nicht. Denn es gibt - wir haben es klar gehört - keine Finanzvereinbarung zwischen dem Träger und dem Land über den Betrieb, die über die Zahlung von Investitionskostenzuschüssen zur Aufnahme des Betriebs der Einrichtung hinausgeht.
Die Behauptungen über die hohe Fluktuation des Personals und die Erwähnung der Übergriffe auf Beschäftigte ignorieren die detaillierte Darstellung, die der Fachausschuß dazu entgegengenommen hat. Lesen Sie einmal nach, was für einen Übergriff es gab! Das stellen Sie hier wirklich völlig anders dar.
(Zuruf von Patrick-Marc Humke [LINKE])
Vizepräsident Hans-Werner Schwarz:
Herr Kollege Riese, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Limburg?
Roland Riese (FDP):
Ich gestatte.
Helge Stefan Limburg (GRÜNE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Riese, Ihre einleitenden Ausführungen muß ich erst einmal sacken lassen. Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie der Auffassung sind, daß es den Landtag überhaupt nicht zu interessieren hat, wenn in diesem Lande Kinder gegen ihren Willen auf richterlichen Beschluß an einem Ort festgehalten werden?
Roland Riese (FDP):
Herr Limburg, da haben Sie mich nicht richtig verstanden. Das Land führt natürlich die Fachaufsicht über die örtlichen Träger der Jugendhilfe. Da wird auch ein Benehmen hergestellt.
(Helge Stefan Limburg [GRÜNE]: Aha!)
Gleichwohl verantworten die Unterbringung dort zunächst einmal die öffentlichen Träger, und zwar in sehr schwierigen Situationen.
Meine Damen und Herren, nach diesem kurzen Zwischengeplänkel muß ich Ihnen mitteilen, daß wir anhand dieses Antrags, aber auch anhand eines Antrags, der zum Thema Auslandspädagogik vorliegt, politisch miteinander diskutieren müssen, ob wir als Niedersächsischer Landtag Kindern und Jugendlichen, die entweder bereits kriminelle Handlungen begangen haben oder bereits schwere Konsumenten von Drogen geworden sind, die bereits durch viele Stationen der Jugendhilfe gegangen sind und für sich keine andere Perspektive mehr sahen, als sich z. B. zur Prostitution anzubieten, mit einer Einrichtung wie der in Lohne eine letzte Chance geben wollen, Erziehungspersonen als Vertrauenspersonen anzunehmen zu lernen und ihr Leben dahin gehend zu ordnen, daß sie eine regelmäßige Schulausbildung, wie sie dort organisiert wird, annehmen, daß sie die Asozialität kriminellen Verhaltens begreifen und Verantwortung für sich selbst übernehmen, indem sie das Verhalten, mit dem sie sich selbst schädigen, einstellen.
Wir als Landtag müssen entscheiden, ob wir die politische Verantwortung übernehmen wollen, daß in wirklich schweren Fällen des Versagens bisheriger erzieherischer Bemühungen der Eltern oder Pflegepersonen eine solche fortgesetzte Selbstschädigung von Jugendlichen stattfindet, die z. B. auch zum frühen Drogentod führen kann. Diese Verantwortung möchte ich nicht übernehmen. Diese Einrichtung ist das letzte Mittel dagegen.
(Hans-Henning Adler [LINKE]: Mit Mauer und Stacheldraht!)
Aber die Einstellung, die ich nannte, legt der Antrag der Linken nahe.
(Beifall bei der FDP)