Christian Dürr MdL
Fraktionsvorsitzender
Herrn Dr. Kurt-Dieter Beisser Kreisverbandsvorsitzender Neutorstr. 69 26721 Emden | Hannover, 8. November 2010 |
Abschaffung der Stichwahl für die Wahl der Oberbürgermeister
Ihr Schreiben vom 26.10.2010
Sehr geehrter Herr Dr. Beisser,
ich danke Ihnen für Ihr Schreiben zum Kommunalverfassungsgesetzbuch. Gerne möchte ich zu Ihren kritischen Anmerkungen Stellung nehmen.
Ihre Argumente für die Beibehaltung der Stichwahl sind gut nachvollziehbar und absolut verständlich. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass uns diese Entscheidung alles andere als leicht gefallen ist. Gleichwohl ist sie Teil einer Einigung innerhalb der Koalition zu verschiedenen Punkten.
Bei dieser Diskussion ist zu berücksichtigen, dass es auch Argumente für die Abschaffung gibt, mit denen wir uns intensiv auseinandergesetzt haben. So haben die Wahlgewinner oftmals im zweiten Wahlgang weniger Stimmen auf sich vereinen können, als der Zweitplatzierte des ersten Wahlganges, denn die Wahlbeteiligung ist leider meistens drastisch zurückgegangen. Daher nimmt teilweise die demokratische Legitimation durch die Stichwahl sogar bedauerlicherweise noch ab. So lag die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen 2006 in Niedersachsen bei ca. 51 %, während sie bei den anschließenden Stichwahlen auf rund 35 % zurück ging. Die Abschaffung der Stichwahl bedeutet daher nicht automatisch eine Minderung der Demokratie.
Sowohl bei den Änderungen zum Kommunalwahlrecht als auch bei der Novelle des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes haben wir jedoch wesentliche Vorteile für die FDP durchgesetzt. Die Gesamtheit der Änderungen hat Ihnen der Kollege Jan-Christoph Oetjen bereits in einem Schreiben an alle Kreisvorsitzenden mitgeteilt. Ich möchte daher an dieser Stelle auf zwei aus meiner Sicht wesentliche Punkte näher eingehen.
Dies ist zum einen die Bildung der Wahlbereiche. Aus Gründen der Wahlvereinfachung werden die Vorgaben zur Bildung von Wahlbereichen für die Wahl der Vertreterinnen und Vertreter geändert und die Anzahl der zu bildenden Wahlbereiche insgesamt reduziert. Zukünftig werden in Niedersachsen mehr als 75 % der Städte und Gemeinden eine einheitliche Liste haben. Weitere 17% der Städte und Gemeinden werden von der Pflicht entbunden Wahlbereiche einzurichten. Diese Pflicht besteht nur noch für 7% der Städte und Gemeinden in Niedersachsen. Diese Änderung sehe ich als großen Gewinn, denn anders als bisher können die Parteien eine einheitliche Liste für die gesamte Stadt aufstellen. In einer Stadt wird es dann gerade nicht mehr unterschiedliche Wahlbereiche mit unterschiedlichen Kandidaten geben. Jeder Bürger kann somit jeden Kandidaten wählen, unabhängig davon, wo er wohnt. Dadurch wird die Wahl viel transparenter als vorher. Für uns als kleinere Partei ist die Bildung der Wahlbereiche eine klare Stärkung.
Inhaltlich möchte ich aber abschließend noch die Neufassung des Gemeindewirtschaftsrechts hervorheben, die auf unseren Vorstoß gegen den Willen der CDU als eine wesentliche Kernforderung der FDP im neuen Kommunalverfassungsgesetz durchgesetzt worden ist. Unsere im Wahlprogramm verankerten Grundsätze, insbesondere die Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen, der Handwerksbetriebe, der Selbstständigen und der Freien Berufe als Rückgrat unserer Wirtschaft, stehen damit im Vordergrund. Künftig hat private Aufgabenerledigung gegenüber einer wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand in Bereichen außerhalb der Daseinsvorsorge Vorrang. Durch ein Urteil des OVG Lüneburg wurde festgestellt, dass die bisherigen Regelungen zur Eindämmung der kommunalen Wirtschaftstätigkeit keinen Drittschutz entfalten. Zukünftig wird dies für private Mitbewerber der Fall sein.
Sowohl von dem Niedersächsischen Industrie- und Handelskammertag als auch von der Landesvertretung der Handwerkskammern in Niedersachsen haben wir sehr großen Zuspruch für die Neufassung des Gemeindewirtschaftsrechts erhalten. Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen wirksam zu beschränken, wird ausdrücklich begrüßt. Privaten Anbietern haben wir endlich die Möglichkeit gegeben, die rechtliche Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung gerichtlich überprüfen zu lassen und damit ein wesentliches Wahlversprechen eingelöst.
Leider wäre eine Herausnahme des Themas Stichwahl aus dem Gesamtpaket politisch nicht durchsetzbar. Dies hätte zur Folge, dass zum einen die Änderung bei den Wahlbereichen nicht kommt. Gleichzeitig würde auch die Einigung beim Gemeindewirtschaftsrecht nicht umgesetzt. Ich befürchte dies würde uns die berechtigte öffentliche Kritik insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Niedersachsen einbringen. Ungern würde ich ein Wahlversprechen, was ausdrücklich ein „Privat vor Staat“ zum Ziel hat, nicht einhalten – vor allem weil dies auch den „Markenkern“ der FDP betrifft. Die jetzt gefundene Regelung ist ein echter Erfolg für die FDP. Es wäre schade, wenn wir bei diesem Thema letztlich mit leeren Händen dastünden.
Ich hoffe, diese Informationen konnten dazu beitragen, Ihnen den Standpunkt der FDP-Fraktion näher zu bringen. Für weitere Fragen stehe ich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen